Scharia-Stadl ist zurück!

Scharia-Stadl ist zurück! – Kiyaks Theaterkolumne

Haben Sie sich über das Wahlergebnis der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern gewundert? Über das Fünftel der Wählerstimmen, die an die Partei Alternative für Deutschland gingen? Ich auch nicht.

Seit ich Kolumnen schreibe, handelt jeder dritte Text vom Rassismus, der den Frieden in unserer Gesellschaft auffrisst. Aber nein, wir, die wir das schreiben, übertreiben, wir wollen das Land schlecht machen und so fort. So hieß es oft. Nun sitzt diese Partei im neunten Landtag und die alten Kommentatoren reiben sich die Augen und versuchen sich ihre Ahnungslosigkeit zurechtzubiegen und sich im Nachhinein zu rehabilitieren. Na so was aber auch! Das hätten sie nicht für möglich gehalten. Komisch, ne? Ich habe nie etwas anderes in Betracht gezogen. Wir sind eine rassistisch, nationalistisch und autoritär denkende Gesellschaft. Wenn das ein Herbert und eine Gisela schreiben, ist es eine politische Analyse. Wenn es ein Vladimir oder Hakan schreibt, ist es deutschenfeindliche Paranoia.

Was ist bloß los, fragen sich ernsthaft Politiker und Medien. Was soll schon los sein? Bloß weil man 6 Millionen Juden vergast hat und die Welt in Schutt und Asche legte, ist man doch nicht für immer immun gegen Menschenfeindlichkeit. In welchem Geschichtsbuch steht denn das geschrieben, welcher Psychologe hat das attestiert, welcher Soziologe kommt zu so einem Ergebnis? Die Ausgrenzungsmechanismen funktionieren dann halt anders, die Ideologien bleiben. Da werden eben nicht mehr Nasen und Köpfe vermessen. Die Kriterien für Zugehörigkeiten ändern sich fortwährend. Mal ist es die Hautfarbe, dann die Haarfarbe, der Glaube, die Gesinnung, was auch immer. Es ist und bleibt aber dasselbe. Andershaftigkeit auszuhalten ist eine Kulturleistung. Auszuhalten, dass der Nachbar seiner Tochter keinen Diskobesuch erlaubt, zu einem anderen Gott betet oder seine Ehefrau an der Hundeleine führend im Swingerclub zum Durchvögeln an Interessierte anbietet, ist eine anspruchsvolle Errungenschaft. Das nennt man Kultur und Erziehung. Der Mensch kommt nicht mit eingebauter Toleranz auf die Welt. Er muss sie erlernen.

Diese AfD Klientel, das können doch unmöglich alles dumme Rassisten sein, höre ich manchmal. Das seien doch ehemalige Journalisten, Professoren, Lehrer, gaanz normale Leute aus der Mitte. Seltsam, wie wir das in Deutschland immer als Gegensatz behandeln. Rassismus und die politische Mitte. Seit wann hat sich das je ausgeschlossen? Rassismus ist nicht schön, aber er ist ganz sicher keine außergewöhnliche Haltung dem Leben gegenüber. Im Gegenteil. Nichts ist so simpel wie Ausgrenzungsversuche auf der Grundlage von Kategorien wie Ethnie, Religion oder Kultur. Wer diesen Rassismus konsequent zu Ende denkt, muss zwangsläufig in der Radikalität landen. Man ist nicht politisch rechtsextrem, weil man AfD wählt, sondern weil man in extremen Kategorien von Zugehörigkeit denkt, weshalb man die AfD wählt. Seinen Lehrerberuf kann man dabei trotzdem noch wunderbar ausüben. Björn Höcke und andere haben es vorgemacht.

Manche haben es vergessen. Der Kampf der 68er Bewegung gegen Nazis – also gegen Rechtsextremisten – wurde in Klassenzimmern und Hörsälen ausgefochten, in der bildungsbürgerlichen Mitte. Die ehemaligen Studenten dieser Zeit sind heute selber Journalisten und Professoren und beklagen fehlende Sitten und Manieren bei allein reisenden, jungen, männlichen Flüchtlingen. Sie haben Glück. Für ihr demagogisches Gelaber gegen Muslime und Flüchtlinge hat man sie aus Redaktionen und Universitäten nicht rausgepöbelt. So hatten sie es nämlich gemacht. Es ist alles schon wieder so lachhaft.

Im politischen Diskurs ist es unüblich, poetische Begriffe für gesellschaftliche Zustände zu verwenden. Trotzdem. Es gibt ein Wort, das Leute, die gegen Flüchtlinge sind, sehr treffend bezeichnet. Sie sind weltfremd. Die Welt ist ihnen fremd geblieben. Das ist an sich sehr traurig, wenn man vom Leben nicht viel mehr weiß, als das, was Cicero oder der Focus schreiben oder Frauke Petry einem erzählt. Wenn man wirklich glaubt, dass in Schwerin, Anklam oder Pasewalk bald ein Kalifat errichtet wird, dann ist es nur folgerichtig, dass man Mauern und Zäune errichten will.

Aber es gibt ja zum Glück noch andere Leute. Die zwar gerne gegen Ausländer, Muslime, Roma, Schwule oder Flüchtlinge stänkern, aber trotzdem in der CDU, SPD, bei den Grünen oder der Linken bleiben. Mal sehen, wie alles wird.

Das Gorki ist und bleibt eine Oase der Islamisierung. Der kleine Scharia-Stadl am Festungsgraben ist erneut als Theater des Jahres ausgezeichnet worden. Ich kann es mir nur mit Korruption erklären. Ich sage immer, wir sind das Katar unter den Spielstätten. Zu Recht fragen sich die Leute, ob ein Theater vollgepackt mit Ausländern überhaupt Deutsch kann. Ich würde sagen: Nein. Weil es sich gerade so schön anbietet: Meine derzeitige Lieblings-Deutsch-Lernseite sind die belleslettres von Daniel Scholten. Schlauste Deutschhodscha wo gibt! Der Typ ist Mega Hugendubel!! Klicken Sie rein, lesen Sie, schauen Sie die tollen Tutorials an. Wenn Sie unzufrieden sind, werde ich Ihnen die Internetgebühr erstatten.

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Und zum Schluss noch Tratsch aus dem eigenen Haus. Ensemble Mitglied Mehmet Yılmaz (viele kennen ihn aus der Sesamstrasse, er steckt im Samsonkostüm) verdient sich nebenher noch etwas mit Fotoshootings. Er wurde für die Abschreckungsbilder auf den Zigarettenschachteln als Impotenzmodel gebucht. Wie will man einen Mann darstellen, der an Erektionsstörungen leidet? Ich denke, Mehmet hat das super gelöst. Seine Darstellung als Opfer der erektilen Dysfunktion ist für mich meisterhaft. Das ist method acting at its best. Lee Strasberg hätte vor Freude einen Ständer bekommen.

 

Jedenfalls, wir sind wieder zurück. Machen Sie es gut, ja?
Herzliche Grüße
Mely Kiyak

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