Wir wissen Bescheid. Sollte demnächst im Mittelmeer ein Boot mit Flüchtlingen untergehen und jemand von der Bundesregierung traurig bedauernd Beileid bekunden wird, können wir entgegnen: „Bitte heucheln Sie woanders. Nie war es einfacher seine Hand zu heben und gegen das Sterben zu votieren als letzten Freitag im Bundestag. Sie aber haben gewollt, dass Frauen, Männer und Kinder ertrinken, statt ihnen zu erlauben Flugzeuge zu besteigen.“
That’s it, so einfach!
Hier könnte die Kolumne enden. Weil das Thema in meinen Augen damit eigentlich ausreichend behandelt wurde.
Das Gesetz, das Fluggesellschaften nicht erlaubt Flüchtlinge ohne gültige Einreisepapiere transportieren zu dürfen, ist eine Menschenrechtsverletzung. Die Fluggesellschaften halten sich an das Verbot. Nicht aber die Flüchtlinge. Sie kommen trotzdem, auf anderem Weg. Es ist also ein Gesetz, das nicht wirkt. Normalerweise werden Gesetze, die nicht wirken, geändert. In der Flüchtlingspolitik aber herrscht verkehrte Welt. Wer zu Fuß ohne Einreisepapiere in Deutschland ankommt, wird nicht sanktioniert und darf einen Antrag auf Asyl stellen. Warum nicht auch jener Mensch, der mit dem Flugzeug kommt?
Allein das Wort: Flüchtlingspolitik. Erkennt irgendjemand in irgendeiner Maßnahme, die in Sachen Geflohener beschlossen wurde, irgendetwas, das irgendeinem Kriegsflüchtling nützt? Ich sehe keine Vorteile. Weil: Es gibt keine. Diese ganzen Gesetze und Regelungen sind an Flüchtlingsgegner adressiert. Warum erhalten Syrer vermehrt nur einen subsidiären Schutz und keinen auf der Grundlage der Genfer Flüchtlingskonvention? Und warum ist der Familiennachzug für jene, die subsidiären Schutz bekommen, für zwei Jahre ausgesetzt worden? Warum müssen sie zwei Jahre warten, bis sie Elternteile oder Kinder nachholen dürfen? Ich verrate es gerne. Damit es sich biologisch erledigt. Zwei Jahre warten bewirkt, dass das Risiko dieser Kinder in Syrien zu sterben eklatant steigt. Nichts anderes. Oder sieht irgendwer etwas Positives an dieser neuen Regel, das ich nicht erkenne? Kann ja sein, dass ich doof bin und nichts verstehe.
Die Begründung des Innenministers klingt übrigens so:
„Die Einschränkung des Familiennachzugs mag hart erscheinen. – Sie ist hart, einverstanden. Sie ist aber notwendig, um eine Überlastung der Aufnahmesysteme in unserem Land zu verhindern. Hören Sie gut zu! Der nächste Satz wird Sie vielleicht noch mehr ärgern; aber ich halte ihn trotzdem für richtig. – Wir wollen nicht, dass Eltern ihre Kinder vorschicken, teilweise einer Lebensgefahr aussetzen, um anschließend selbst nachzukommen. Das wollen wir nicht.“
Wir wollen die Kinder vor der Lebensgefahr auf dem Meer schützen? Sie sollen lieber im sicheren Syrien ausharren? Hören Sie gut zu! Wir sind gegen sichere Fluchtwege. Das wollen wir nicht. Das ist so verwirrend, dass man nicht weiß, wie man diese verquere Logik entwirren soll.
Man könnte seitenlang so weitermachen. Ein anerkannter Flüchtling bekommt 135 Euro. Warum muss er neuerdings 10 Euro für seinen Deutschkurs bezahlen? Warum, wie in Berlin üblich, zusätzlich fast 40 Euro für sein Monatsticket?
Ich denke, das Asylpaket II ist einfach nur schmieriges Angetörne für die neue Rechte. Eine Art Wichsvorlage. Es gibt keinen einzigen seriösen Kommentator, der in den beschlossenen Flüchtlingsgesetzen auch nur einen Hauch einer sinnvollen Entscheidung gesehen hat. Aber das war nicht das Thema meiner Kolumne. Das Thema war die Abstimmung am vergangenen Freitag im Bundestag. Ich hoffe, dass die Flüchtlinge ganz bald gut Deutsch sprechen werden, damit sie nachlesen können, welche Parteien es waren, die in Kauf nahmen, dass ihre Leute im Meer ertrinken. Freitag haben sie für die Lebensgefahr und gegen sichere Fluchtwege gestimmt. CDU. CSU. SPD.
Mely Kiyak
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