Ein Berliner Student gründet die erste Online Universität für Flüchtlinge. Sein Name ist Markus Kreßler. Er ist 25 Jahre alt und studiert an der Freien Universität Berlin Psychologie und Wirtschaftswissenschaften. Als er erfuhr, welch große bürokratische Hürden für Flüchtlinge bestehen zu studieren, beziehungsweise ihr Studium, das sie im Heimatland begannen, in Deutschland fortzusetzen, schritt er zur Tat. Bis man als Flüchtling in Deutschland alle erforderlichen Papiere beisammen hat, um sein Studium anerkennen zu lassen, kann es passieren, dass man bereits wieder abgeschoben wird. Meistens hat man als Asylsuchender keine wirkliche Gelegenheit den Papierkram zu erledigen. Dafür muss man mobil sein. Die Strukturen kennen. Der Staat muss auf so etwas eingerichtet sein. Unser Staat ist aber nur auf Verwahrung eingerichtet. Nicht auf die Ermöglichung eines normalen Lebens mit Zukunftschancen. Vielfach scheitert der Versuch, sich als Akademiker anerkennen zu lassen natürlich auch an mangelnden Sprachkenntnissen. Die wenigsten Mitarbeiter einer Ausländerbehörde oder eines Asylbewerberheims beherrschen Grundkenntnisse in Englisch oder Französisch, so dass sie behilflich sein können.
Der famose Student Kreßler gründete gemeinsam mit Kommilitonen und zwei weiteren Flüchtlingen die Online Uni „Wings University“. Das Team arbeitet ehrenamtlich. Sie konnten acht Professoren für ihr Projekt gewinnen. Für die erforderlichen Kosten (pro Student und Jahr circa 650 Euro) erhoffen sie sich staatliche Förderung. Damit man auf der Wings University als Student nicht nur den Gasthörerstatus inne hat, sondern mit staatlich anerkanntem Abschluss studieren kann, benötigt das Projekt kooperierende Universitäten. Um sich die Verwaltung und andere Infrastruktur „ausleihen“ zu können. Das Studium muss kostenlos sein, klar. Man benötigt lediglich einen Tablet und einen Internetanschluss. Das ist an sich bereits die erste große Hürde. Asylbewerberheime haben oft keinen Internetanschluss. Also haben Kreßler und seine Leute gedacht, dass die Inhalte auch offline verfügbar sein müssen. Und wer keinen Tablet hat, soll eines ausgeliehen bekommen. Die ersten drei angebotenen Studiengänge sind Wirtschaftswissenschaften, Informatik und Ingenieurwissenschaften. Es haben sich bereits 3000 Interessierte bei der Wings University gemeldet. 2016 soll das erste Semester beginnen.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass das Team um Kreßler Geld und Dozenten benötigen kann. Und Entwickler, die Apps programmieren können.
Nach all den schrecklichen Nachrichten, die uns die letzten Tage erreichten, (angezündete Asylbewerberheime, Erniedrigung und Misshandlung von Bundespolizisten an Flüchtlingen) bin ich froh, auch einmal eine solche Nachricht vermelden zu dürfen. Ich dachte mir, vielleicht freut es auch die Leser dieser Theaterkolumne, das zu erfahren.
Wer könnte was tun?
Journalistenkollegen: Verbreitet die Nachricht!
Sponsoren, Politiker, Vermögende: Öffnet eure Portemonnaies und gebt das erforderliche Geld! Sichert langfristige Finanzierungen.
Mitarbeiter von europäischen Fonds: Meldet euch bei der Wings University und macht auf Geldtöpfe aufmerksam. Besser noch: Helft Anträge auszufüllen!
Professoren, Dozenten, Dekane: Macht mit und werdet Lehrer für Flüchtlinge! Arbeitet Online-Programme aus.
Bürger aller Art: Macht Druck auf die Asylbewerberheime in euerer Umgebung und sorgt dafür, damit Unterkünfte mit W-Lan und Tablets ausgestattet werden!
Rentner mit Tagesfreizeit: Helft Flüchtlingen bei erforderlichen Wegen in den Behörden!
Übersetzer und Dolmetscher: Übersetzt und dolmetscht!
Markus Kreßler übrigens hat auf die Frage nach seiner Motivation in einem sehr schönen Interview, das er der Vice gab, mit folgendem Sprichwort geantwortet:
„Wer eine Schule öffnet, schließt ein Gefängnis“.
Mely Kiyak
PS: Hier erfuhr ich von dem Projekt.
Homepage der Wings Uni.
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