Bitte ohne Eisbären!

Arnold Schwarzenegger hat total recht. Man muss die message besser verkaufen. Im aktuellen Spiegel Magazin, das noch bis morgen an den Kiosken liegt, las ich ein sehr langes – in Teilen sehr lustiges – und gutes Gespräch mit dem ehemaligen österreichischen Bodybuilder und republikanischen Ex-Gouverneur von Kalifornien. Schwarzenegger zählt zu Amerikas prominentesten Umweltschützern. Zu seinen vielen Engagements gehört eine seit fünf Jahren regelmäßig tagende Klimakonferenz.

Wie nun bringt man also die Nachricht anders und besser unter die Leute? Wie bringt man der Gesellschaft bei, dass sie sich selber etwas Gutes tut, wenn sie die Umwelt schont? Wie vermittelt man, dass Umweltpolitik Menschenleben schützt, auch das eigene?

Eine kleine Passage aus dem Gespräch mit dem Spiegeljournalisten Marc Hujer:

»Wir brauchen nur ein einziges Ziel«, sagte Schwarzenegger.
»Ein Problem, das jeder versteht, und das ist: Verschmutzung. Man kann sie sehen, wie sie aus den Schornsteinen kommt. Überall sieht man Verschmutzung. Verschmutzung ist es, was die Menschen tötet. Verschmutzung ist der Feind Nummer eins, Verschmutzung lässt die Korallenriffe sterben, sie lässt die Eisberge schmelzen, sie ist genau das Ding, das den Klimawandel verursacht, wenn wir die Verschmutzung in Griff kriegen, lösen wir auch alle anderen Probleme. Warum also reden wir immer über Klimawandel? Es ist nicht der Klimawandel, der jährlich sieben Millionen Menschen tötet, es ist die Verschmutzung. Der Grund, sich auf Verschmutzung zu konzentrieren: Es sei nicht überwältigend, es gebe Hoffnung, dass man noch etwas verändern könne.«

SPIEGEL: »Es gibt viele Menschen, die glauben, dass die Bekämpfung des Klimawandels nicht das wichtigste politische Ziel ist. Wie überzeugt man sie?«

Schwarzenegger: »Es hängt immer alles an der Kommunikation. In Kalifornien haben wir kein einziges Gesetz verabschiedet, das wir mit Klimawandel begründet haben, immer nur mit Verschmutzung. Wir haben es in Umfragen immer wieder getestet: Wenn wir über Eisbären und steigende Meeresspiegel gesprochen haben oder Klimawandel oder Hitzewellen in der Zukunft, hatte das keinen Effekt auf die Umfragewerte. Aber sobald wir über Gesundheit gesprochen haben, hat das alles verändert. Das ist es, was die Leute fürchten: dass die Kids Asthma bekommen wegen der Luftverschmutzung. Sobald wir darüber sprachen, stimmten sie für Restriktionen für die Landwirtschaft. Wir müssen die Message besser verkaufen.«

Der Gedanke gefällt mir gut. Dass man nämlich den ganzen Umweltschutzkomplex in überschaubare Bereiche teilt und so kommuniziert, dass sie die jeweiligen Menschen in den Ländern konkret betreffen. Wenn man den Anblick der Eisbären nicht gewöhnt ist, fällt ihr Verlust nicht auf.

Was mir außerdem nie einleuchtete, war die Reduktion der Klimaschutzdebatte auf Ja-Nein-Entscheidungen. Schnitzel essen: Ja oder Nein? Inlandsflüge: Ja oder Nein? Natürlich sind diese Fragen von Belang, aber sie würden vermutlich weniger erbittert geführt, wenn die Grundlagen besser vermittelt werden könnten. Der Meinungsbildungsprozess der Wähler wäre anders, abwägender, differenzierter, wenn sie elementare Kenntnisse über Ressourcen, Gesundheit und Ernährung hätten. Das Abnötigen von Entscheidungen muss immer auf die gut informierte Meinung folgen. Politik funktioniert aber umgekehrt. Bevor jemand eine Ahnung hat, poltert schon irgendwer los: »Partei XY will Benzin in Schweineschnitzeln verbieten. Flugreisen künftig nur noch mit Tempolimit in den Hambacher Forst, aber ohne Plastikstrohhalme!« Der Wähler soll daraufhin schnell viel Meinung haben und immer noch wenig Wissen.

Sprechen wir bitte endlich mehr über Ressourcen. Was ist eine Ressource? Wo sieht, fühlt und verbraucht der Einzelne sie? Ich glaube, viele Menschen in hochtechnologisierten Regionen der Welt begreifen nicht, dass Ressourcen endlich sind, weil sie in ihrem praktischen Leben nie deren Endlichkeit erfuhren. Jeder Deutsche hat in den vergangenen vier Generationen ununterbrochen Wasser, Strom, saubere Luft und viel (Fleisch, Gemüse, Obst, Getreide) zu essen gehabt. Außerdem ein sicheres Dach über dem Kopf und Treibstoff, um sich fortzubewegen. Wer so lebt, glaubt natürlich nicht nur, dass Ressourcen für immer da sind, der ist natürlich auch fest davon überzeugt, dass Ressourcen ein Menschenrecht sind, sein Menschenrecht. Dabei ist es doch so, dass man sich an der Natur beleiht, ihr etwas nimmt. Für einen gesunden Kreislauf müsste man das Genommene ersetzen. Die vergangenen vier Generationen gaben Müll und Verschmutzung zurück.

Auch die Besitzfrage ist gesellschaftspolitisch nicht abschließend geklärt. Wem gehören die Ressourcen und hört die Zuständigkeit mit den nationalen Grenzen auf? Ist die saubere Luft für den Deutschen über Deutschland in der Zuständigkeit der Deutschen? Wer über die Atmosphäre nichts weiß, dem sind die Meeresströme natürlich egal, dem ist die dreckige Luft in China schnurz, der denkt ernsthaft, dass »die Chinesen« etwas in China machen müssten, denn es sei ja schließlich deren dreckige Luft. Abgesehen davon, dass wir Teil eines Wirtschaftskreislaufs sind, der für die dreckige Luft in China ebenfalls verantwortlich ist, ist es natürlich so, dass alle Menschen auf der Welt für alle Luft verantwortlich sind, denn Luft wandert, sie fliegt, sie weht. Es gibt keine deutsche Luft und keine chinesische Luft. Klimakreisläufe sind den meisten Menschen nicht geläufig.

Wer ist für das Meer zuständig, wer für die Wiese und die Luft? Wer für die Böden? Die Frage ist deshalb wichtig, weil man über Steuerpolitik anders diskutieren würde. RWE oder Nestlé wären dann vielleicht eines Tages dafür zuständig, für Klima- und Armutsflüchtlinge finanziell und logistisch allein zu sorgen, und nicht die arbeitende, europäische Mittelschicht. Schließlich plündern die Konzerne Rohstoffe, Landstriche, Länder. Und ist es nicht eigentlich ein Wahnsinn, dass Umweltpolitik parteiabhängig betrieben wird? Wie kann es sein, dass irgendeine europäische Partei mit wenigen hunderttausend Anhängern über die Zukunft einer ausgebeuteten Region am anderen Ende der Welt entscheidet, indem sie sich dem Umweltschutz verweigert? Vielleicht, eines Tages, wird es so sein, dass jedes Kohlebergwerk, das noch betrieben wird, die Zustimmung einer internationalen Gemeinschaft benötigt. Bislang entscheiden die Anleger des Kapitals von mächtigen, multinational operierenden Energiekonzernen. Irgendwann muss sich eine Nation vielleicht dafür rechtfertigen, was sie mit dem Strom, den sie herstellt oder einkauft, anstellen wird. Muss vielleicht eine Energiebilanz vorlegen und dann wird jedes Ding, das mit Strom betrieben wird, aufgelistet und gerechtfertigt werden müssen. Strom für Bewässerung? Was soll denn bewässert werden? Soja, wer braucht das? Welche Tiere sollen damit gefüttert werden? Dann erst wären die Ja-Nein-Konsumfragen dran. Chicken McNuggets, Ja oder Nein?

Meiner Meinung nach verstehen Teile der Gesellschaft biologische Zusammenhänge nur ungenügend. Die guten alten Schautafeln mit den Naturkreisläufen aus der Schule scheinen vergessen. Der Zusammenhang von Pilzen, Wäldern, Böden. Der Zusammenhang von Bienen und Pflanzen. Artenvielfalt ist so ein Wort, das im Bewusstsein der Menschen oft mit Umweltbewegungen, Organisationen und Parteien verknüpft ist, auf die sie herabblicken. Bei Artenvielfalt denken sie an Frösche, die von Männern und Frauen in Filzklamotten über die Straße getragen werden. Artenvielfalt ist aber nur dann ein Wort, das verhunzt und verspottet werden kann, wenn man nicht begreift, dass man als Mensch damit auch gemeint ist. Wenn man die Bilder von hungernden Menschen nur aus Anzeigenkampagnen zu Weihnachten kennt, mit denen Spendengelder gesammelt werden sollen. Auch das ist ein immer wiederkehrendes Problem, das Fehlen von dauernden und bedrückenden Bildern. Menschen funktionieren über Bilder und Erzählungen. Sie können begreifen, dass Umweltschutz allergrößter Eigennutz ist – wenn man es besser vermittelt. Jede Partei in Deutschland müsste sich in umweltpolitischen Maßnahmen überbieten. Es müsste Maßnahmengewitter aus den Programmatiken regnen und donnern. Und es müsste eine Sprache sein, die die Wähler verstehen.

Ich bin keine Umweltpolitikexpertin und schon gar keine Kennerin strategischer, politischer Kommunikation. Deshalb weiß ich nicht, wie man die Fragen anders und besser diskutieren kann. Aber ich bin Autorin, ich weiß, wie man Geschichten erzählt. Man fängt nicht mit dem Mittelteil an. In einem früheren Leben lernte ich – die Leser meiner Bücher wissen es – in einem Klostergarten über die Grundlagen biologischer Bodenbewirtschaftung und den wichtigen Aspekt von Mischkulturen. Über das Verhältnis von Bedarf, Ertrag und Nachhaltigkeit. Das Wissen, das ich erhielt, war zum damaligen Zeitpunkt bereits über 100 Jahre alt. Das Wissen ist da. Das kulturelle Gedächtnis aber hat wie so oft versagt. Das Engagement für Umweltschutz wird oft als moderne Marotte einzelner vermögender Großstadtlinker verspottet. Und allzu oft werden Ängste geschürt, etwa mit der Erzählung, dass Klimaschutz zu mehr Armut sozial schwacher Schichten führe. Das stimmt nicht. Politik führt zu Armut, nicht Umweltschutz. Das ist ein wichtiger Unterschied. Vor 5000 Jahren haben die alten Ägypter ihre Gärten bewirtschaftet, die Fragen sind immer noch die gleichen. Wie steigert man den Ertrag, ohne die Böden auszulaugen? Wie findet man das richtige Verhältnis, die Bevölkerung zu ernähren und genug Ressourcen für die Nachkommen zu bewahren? Was ich sagen will: Hier könnten die Reaktionären mal guten Gewissens reaktionär sein, stattdessen stehen sie auf der Seite der Umweltplünderer. Armin Laschet, Spitzenkandidat der CDU, sagte neulich in einem Interview, dass er gottesgläubig sei und an das Paradies glaube, und deshalb seine Politik anders gestalten würde als ein Kommunist. Und da habe ich mich gefragt, wie dieses CDU-Paradies in seiner Vorstellung wohl aussieht? Ein mit Kohle- und Atomstrom betriebenes Paradies ohne Bienen und Wälder, ein Paradies mit Ozeanen voller Müll und im Wechsel Überschwemmung und Waldbrände?

Bin mir nicht sicher, ob man sich nicht lieber mit gottlosen Kommunisten die Hölle teilen wollen sollte. Wie man so hört, soll das Wetter dort unten seit Ewigkeiten beständig sein.

Die Spielzeit hat begonnen, auch von meiner Seite ein herzliches Hallo!

Mely Kiyak

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