Für ein glutenfreies Europa

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Am Wochenende wird in Europa gewählt und anders als andere Kollegen, gebe ich keine Wahlempfehlung ab. Denn im Gegensatz zu anderen Menschen bin ich wohl zu blöd zum Wahlplakate lesen.

Genau gegenüber meiner Wohnung hängt seit Wochen ein Plakat. Darauf steht:
I have a dream. I’m a refugee. I’m Europe.

Es handelt sich um ein Plakat der europäischen Grünen und bedeutet übersetzt:
Ich habe einen Traum. Ich bin ein Flüchtling. Ich bin Europa.

Eine besonders raffinierte Gattung im Genre der Rezeption lautet: zwischen den Zeilen lesen.

Zunächst einmal ist interessant, dass ausgerechnet dieses Plakat auf Englisch geschrieben ist und nicht wie alle anderen Europawahlplakate der Grünen auf Deutsch. Vielleicht geht man davon aus, dass Flüchtlinge sich für dieses Thema interessieren könnten und dass sie eher englisch statt deutsch sprechen, allerdings haben Flüchtlinge in Deutschland kein Wahlrecht.

Abgebildet ist auf dem Plakat eine junge Frau, von der ich nichts weiß, aber ich nehme an, dass sie sich glutenfrei ernährt, das machen jetzt nämlich alle so. Ich schaue sie an und denke, weshalb zum Kuckuck träumt sie davon, ein Flüchtling zu sein? Wurde sie in sämtlichen RTL 2 Castings für Abenteuercamps abgelehnt und versucht sie es jetzt auf diesem Weg? Oder will sie sagen, dass alle in Europa Flüchtlinge sein sollen? Aber das wäre doch furchtbar. Ich bin froh, dass ich ein Zuhause habe.

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Das Plakat der NPD: Geld für die Oma statt für Sinti und Roma, ist metrisch knapp an den deutschen Regeln der Verslehre vorbei gedichtet. Grundsätzlich finde ich es aber gut, dass die NPD reimt, denn wie bei Kindern gilt auch für Rechtswähler, wenn es sich nicht reimt, kapieren sie es nicht. Verstörend wirkt nur das Motiv des Plakates. Die Oma auf dem Bild ist ja wohl ein Witz, oder?

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Als ich das las, dachte ich: Alter, wenn Nazis jetzt als Gastarbeiter ins bankrotte Ausland gehen, scheint Deutschland echt am Ende zu sein.
Holger Apfel, ehemaliger Vorsitzender der NPD, hat auf Malle ein Lokal eröffnet, es heißt: Maravillas Stube – Restaurant bei Holger und Jasmin.

Restaurant bei Holger und Jasmin! Wahrscheinlich gibt es dort auch Blutwurst bei Sauce und Kartoffeln unterm Teller und andere leckere Präpositionen.

Ausdrücklich betont Holger Apfel, dass in seinem Restaurant Menschen anderer Nationalitäten willkommen seien. Das ist, ökonomisch gedacht, natürlich nicht ganz verkehrt, dass man im Ausland ein Geschäft eröffnet und ausländische Kunden zulässt.
Ganz kurz habe ich überlegt, ob ich am Tag der Europawahl nach Mallorca reise und mich bei Holger und Jasmin so richtig schön bedienen lasse. Ein Hoch auf die Freizügigkeit innerhalb der EU!

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Unser zauberhaftes, kleines Komödchen am Festungsgraben ist und bleibt avantgarde. Kaum haben wir für sämtlichen Schriftverkehr des Theaters unserem verehrten Hausheiligen Gorki das R im Namen umgedreht, folgt uns die internationale Rock- und Popszene sektenhaft hinterher und dreht ihre Buchstaben um, so wie wir es aus einer jugendlichen Laune heraus taten. Nicht auszudenken, was passieren würde, wenn sich unsere Ensemblemitglieder vom Fernsehturm am Alexanderplatz stürzen würden…

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