Das Erdbeben. Weil im Moment so viele fragen wie und was man tun kann

Liebe Freundinnen und Freunde, 

weil im Moment so viele fragen, wie und was man tun kann:
Sämtliche konfessionellen Gemeinden der deutschen Kurden, Syrer und Türken in ganz Deutschland sammeln entweder Geld- oder Sachspenden. Über die Anwaltsvereinigung in Istanbul habe ich eine Liste mit den am meisten benötigten Dingen gesehen. Ich habe sie danach gefiltert, was man aus Deutschland realistisch spenden kann: Taschenlampen mit passenden Batterien, u n b e n u t z t e Kinderkleidung aller Altersstufen bis zur Pubertät; zelttaugliche Öfen, Babyschlafsäcke aus Daunen, Jacken und Decken aus Daunen oder Fleece, insbesondere für Säuglinge, Kleinkinder und Schulkinder. Bitte verpackt die Spenden nicht in Kartons sondern in durchsichtige Tüten und beschriftet sie bitte auf Türkisch oder Englisch. 
 
Manche Gemeinden organisieren die Transporte mit eigenen Mitteln, manche mit Turkish Airlines. In größeren Städten wie Berlin oder Köln werden gerade Listen vorbereitet, die die Hilfen koordinieren. Es gibt im Moment praktisch keine einzige türkische, kurdische, arabische, syrische, alevitische, alawitische, sunnitische, yezidische, rechte, linke, menschenrechtlich oder demokratisch engagierte Organisation, Gemeinde oder Partei, die nicht Hilfe organisiert.
 
Bitte spendet keine gebrauchte Kleidung. Bitte denkt hygienisch und praktisch.
Über die Gemeinden könnt ihr Geld spenden. Es spielt keine Rolle, welchen Glauben ihr habt, welche politische Überzeugung, spendet dort wo ihr das meiste Vertrauen habt. Alle religiösen Vereine oder zivilen Organisationen schreiben euch Spendenquittungen aus oder schicken Zahlungsbelege per Mail. 
 
Die Kurdische Gemeinde in Deutschland und die Türkische Gemeinde in Deutschland haben viel Erfahrungen damit, Hilfe im Erdbebenfall zu organisieren. 
 
Dies ist eine Möglichkeit zu spenden:
 
Spendenkonto der AABF:
Empfänger: Alevitische Gemeinde Deutschland K.d.ö.R.
IBAN: DE46 3806 0186 6401 4060 32
BIC: GENODED1BRS
Volksbank Köln Bonn
Verwendungszweck: Spende Erdbeben Türkei 2023/Name/Adresse
www.aabf.de
 
Wenn ihr euch unsicher seid, könnt ihr auch an medico international spenden. Die leisten eine hervorragende Hilfe (vor allem in den kurdischen/kurdischsprachigen Gebieten):
www.medico.de/kampagnen/spendenaufruf-nothilfe-erdbeben
 
Oder action medeor:
medeor.de/de/spenden-und-helfen/spendenformular.html?image=erdbeben-tuerkei-syrien&fb_project_id=92670
Medeor funktioniert wie eine Notfallapotheke, die innerhalb von 24 Stunden Medikamente, medizinische Geräte oder Verbandsmaterial ins Krisengebiet transportiert. Im Moment auch in die Türkei. Diesen Tipp habe ich von meiner Freundin Anke Engelke, die alle drei Jahre Hilfsgütertransporte in afrikanische Länder begleitet und für diese Organisation bürgt und deren Schirmherrin ist.
 
Die kommunalen Administrationen in den betroffenen Provinzen helfen ihrer Bevölkerung wo sie können. Es gibt Lebensmittelstationen, überall dort wo Menschen von dem Erdbeben betroffen sind, oder Wärmestuben, oder auch ungeheizte Sammelpunkte. Die Menschen in der Türkei sind hilfsbereit und tun was sie können. Der Katastrophenschutz berichtet von vielen Freiwilligen. Die Bevölkerung hat sofort Blut gespendet. Und manchmal, auch das hören wir gerade vielfach, wacht ein Nachbar über der Erde über einem kleinen Loch bei Eiseskälte die ganze Nacht hindurch, um ein verschüttetes Kind oder einen Nachbarn nicht alleine zu lassen und als menschliche Markierung zu dienen, falls ein Bergungsteam kommt. 
 
Doch alle diese Hilfen reichen nicht aus. Insbesondere weil das Land von einer starken Inflation betroffen ist und die Mittelschicht nur bedingt ökonomische Reserven hat. Das Erdbebengebiet ist gigantisch groß, es betrifft über 13 Millionen Menschen in 10 Provinzen und hat eine Länge von 400 Kilometern, verteilt auf die Türkei, Syrien, Rojava, Süd- und Ostanatolien/Kurdistan. 
 
Es gibt in den deutschen Medien kaum noch Korrespondenten, die für die Türkei berichten, geschweige Kolleginnen die in der Türkei über die Türkei melden. Und diejenigen Kolleginnen die da sind, verlassen Istanbul meistens nicht und/oder beherrschen selten die türkische Sprache, geschweige denn Kurdisch oder Arabisch.
 
Traut euch uns anzusprechen. Bittet uns zu übersetzen. Wir verfolgen die Medien, sprechen mit unseren Angehörigen, vernetzen uns untereinander und teilen Informationen. Wir sprechen die türkische, arabische oder eine der vielen kurdischen Sprachen. Wir beherrschen das lateinische oder arabische Alphabet. Jeder kennt irgendwen, der …
Wir können zusammenfassen und durch unsere Sprachkenntnisse offizielle deutsche Medien mit unseren Informationen und Geschichten ergänzen. 
 
Nein, es nervt nicht, wenn ihr fragt.
Und ja, wir freuen uns, wenn ihr euch nach unseren Familien erkundigt. 
 
Ich spreche möglicherweise für viele, wenn ich sage: Wir sind traurig, wir sind betroffen und wir teilen das gerne mit unseren deutschsprachigen Freundinnen und Freunden, die nicht Türkisch, Kurmancî, Zazakî, oder Dimilkî sprechen, deren Familien nicht in der Türkei, in Syrien, Kurdistan oder Rojava leben – oder in einem Flüchtlingslager an der türkisch-syrischen Grenze. 
 
Noch ein letztes Wort: Bitte vergesst für einen Moment ethnische, religiöse oder politische Differenzen. Es ist einfach nicht der Tag für Schuldzuweisungen, für Sympathien für diese oder jene Bevölkerungsgruppe. Helfen ist die einzige Sprache, die wir in den kommenden Tagen sprechen müssten. 
 
Hier rede ich vorsichtshalber nur für mich: Ich bin ein politisch denkender Mensch. 
Im Moment liegt die Betonung auf Mensch. Wenn die Zeit kommt, werde ich, werden wir – so wie wir es immer taten – Fragen und Forderungen stellen.
 
Herzlich 
Mely Kiyak