Tschüss und bis bald!

Kiyaks Theaterkolumne - Tschüss und bis bald!Letzte Theaterkolumne vor den Winterferien.

Zeit, um Danke zu sagen. Denn danken macht Spaß und ist nach Achtsamkeitsworkshops für die Seele und orgasmic enlightening retreats (irgendwas mit Yoga für die Klitoris) die ganz große Mode. Wer immer noch mit weißen Stoffturnschuhen und Bin-Laden-Fusselkinnleiste durch Berlin-Mitte schlurft, ist so out, Alter, outer geht’s nimmer. Die Flüchtlinge machen es vor. Man trägt jetzt Schilder um den Hals, auf denen steht: „Danke Merkel!“. Danken is the next schrill thing.

Diese Woche hatten wir im Gorki Weihnachtsfeier. Ich saß mit den Handwerkern an einem Tisch. Gewerke nennt man das bei uns. In der Hoffnung, dass der eine oder andere Tischler sich besäuft und mir mit gänsebeschmalzten Fingern den Minirock bis zum Bauchnabel hochschiebt, harrte ich aus. Die Jungs aber tupften sich nach dem Essen die Mundwinkel mit einer Serviette ab und tranken Sekt aus langstieligen Kelchen. Es ist halt alles nicht mehr so, wie es einmal war. Schönen Dank auch, Jungs!

Auf dem Weihnachtsbuffet gab es Gänsekeulen, Rotkohl und Knödel. Und für Gourmetmuschis hauchfeines Vitello Tonnato. Kein Schweinefleisch. Ich sage es ja immer. Der Laden ist völlig zwangsislamisiert. Für das Essen ist Turabi zuständig. Er ist der Udo Walz unter den Berliner Wirten. Turabi besitzt mittlerweile eine Million Läden in der Stadt. Natürlich steht er nicht am Herd. Schneidet Udo Walz etwa noch selbst?
Die Gorki-Kantine ist für alle Besucher offen. Von frühmorgens bis spätnachts gibt es etwas Warmes zu essen. Als ich dieses Jahr bei Matthias Lilienthal in den Münchener Kammerspielen auftrat und nach der Vorstellung etwas essen wollte, bot man mir in der Welcome-Kantine des reichen Münchens Weißbrot mit Ketchup an. Kein Witz. Matthias hat München gut getan. Aber München hat Matthias nicht gut getan. Jedenfalls ist die Gorki Kantine an manchen Tagen so voll, dass man meinen könnte, wir sind ein Restaurant mit begleitendem Kulturprogramm. Ich erzählte es schon einmal, oder? Ein Redakteur der FAZ geht s t ä n d i g in der Gorki-Kantine essen. Anschließend schreibt er in der Redaktion über die Integrationsdefizite der Migranten.
Danke Turabi, du kochst wirklich gut deutsch. Wo hast du das gelernt?

Unbedingt danken möchte ich dem Schauspieler aus dem Gorki Ensemble Thomas Wodianka. Mit Thomas trat ich im März zu einem Gastspiel auf der Kammerbühne im Theater Freiburg auf. In unserer kleinen Late Night Show „TV Theater“ spielten wir eine ganze Folge der Sendung „Maischberger“ wortgetreu nach. Die Freiburger kippten vor Lachen von ihren Plätzen, ich musste schon während der Show lachen und kurz vor Schluss kapitulierte auch Thomas. Ich glaube, ich habe mich in meinem Leben auf der Theaterbühne noch nicht so bepisst.
Danke Thomas.

Mehmet Yılmaz spielt meinen Theatermonolog „Aufstand“, den ich einst für das Badische Staatstheater Karlsruhe schrieb. Da es eine Koproduktion mit dem Gorki ist, spricht Mehmet den Text auch auf der Studiobühne. Am Silvestertag läuft übrigens eine Vorstellung. Im Sommer diesen Jahres fuhr Mehmet gemeinsam mit Kollegen des Hauses zum internationalen Theaterfestival ins tschechische Brünn und brillierte dort. Um nach Brünn zu reisen, fuhren die Kollegen auf der berühmten „Balkanroute“. Ich rechnete fest damit, dass man Mehmet irgendwo verhaften und in irgendein Auffanglager in Ungarn stecken würde. Denn Mehmet ist für mich der einzige Schauspieler auf der Welt, der von Natur aus verzweifelt gucken kann. Ich kenne Mehmet, da spielte er noch in der Sesamstraße die Figur Mehmet und am Kreuzberger Ballhaus Naunynstrasse viele weitere Mehmets. Das Ballhaus ist das Haus, wo wir alle lernten, das Theater wieder zu lieben.

Thomas und Mehmet sind die Gentlemen unter den Gauklern. Außerdem lesen sie regelmäßig den politischen Teil der Zeitung. Himmel, wo gibt es denn das noch? Dass Schauspieler Zeitung lesen und begreifen, was da geschrieben steht? Deutsche Schauspieler sind in der Regel „durchlässig“. Liest man in jedem Interview. „Ich bin total durchlässig“. Tja, durchlässig. Auch irgendwie fatal, oder?
Danke Mehmet, dass du meinen Monolog sprichst, obwohl ich dir keinen einzigen Gag reingeschrieben habe.

Xenia ist die Frau, bei der alle Blogger und Theaterkritiker landen, die für umsonst ins Theater wollen. Sie ist aber auch die Frau, die noch spätabends meine Kolumnen gegenliest. Und die eine sehr feine Art hat, mir zu sagen, dass ich eine Niete in Sachen Kommata bin. Ich schreibe seit fast zehn Jahren Kolumnen in Tageszeitungen. So jemanden wie Xenia habe ich mir immer gewünscht. Eine zuverlässige und strenge Leserin, die in einem Text den Unterschied zwischen Stil und Störung begreift. Außerdem sieht sie blendend aus. Na gut, das tun alle Frauen aus Indien. Glücklicherweise wackelt sie aber nicht ständig mit dem Kopf.
Danke Xenia. Auch dafür!

Danken möchte ich unserer Direktorin Shermin. Auf der Weihnachtsfeier hielt sie mehrere Reden. Das ist die höchste Form der Autorität, immer wieder vortreten und noch eine Rede halten. Sie bediente uns mit Getränken an weiß gedeckten Tischen und wichtelte uns fair produzierte Kleidung. Niemals zuvor habe ich unter so unkomplizierten und komfortablen Verhältnissen publiziert wie am Gorki. Wir haben ja keine Vorbilder dafür. Die Theaterkolumne ist nach wie vor Weltmarktführer. Würden wir mit der Kolumne an die Börse gehen, würde der Kurs wahrscheinlich durch die Decke schießen. Die Idee, für ein Theater politische Kommentare zu verfassen, statt Stücke zu schreiben, ist so einleuchtend, dass man sich fragt, warum es noch nie jemand gemacht hat.
Danke Shermin. Für die Freiheit.

Oh Gott, ich darf Lutz nicht vergessen. Wenn man Shermin umarmt, muss man aufpassen, ihn aus Versehen nicht mit zu erwischen. Er ist Shermins Schatten. Möchte man Shermin mit einem Anliegen erreichen, muss man ihn kontaktieren. Man erkennt Lutz am akkuraten Seitenscheitel. Er wird auch James Knospe, beziehungsweise Lutz Bond genannt. Weil er vier Telefonate gleichzeitig führen kann, während er mit seinem Feuerzeug Faxe und mit der Haarspraydose Emails sendet.
Danke Lutz für deine Zuverlässigkeit.

Wir haben am Haus einen zweiten Intendanten. Das ist Jens. Ich kann an Jens nichts aussetzen. Obwohl. Das stimmt nicht. Ich warte auf den Tag, an dem er endlich wieder heterosexuell wird. Schwul sein, am Theater arbeiten, gut riechen. Meine Güte, irgendwann ist aber auch Schluss mit Klischees! Wenigstens ist er gerne eine Wurst! Jens kennt sich in der Theaterwissenschaft sehr gut aus. Das ist nicht gerade hinderlich, wenn man die theoretischen Grundlagen seines Berufes beherrscht. Danke Jens, für Wurst und Wissen.
Das Gorki ist ein inspirierendes Haus. Weil so vieles gleichzeitig geschieht. Auf der großen Bühne wird Repertoire gespielt, dass völlig selbstverständlich Gegenwartstheater veranstaltet und im Studio wird diskutiert. Ich glaube, es ist die Diesseitigkeit, die mir so gut gefällt. Ins Gorki gehen bedeutet für mich immer, die Welt eines anderen Künstlers zu betreten und zu erfahren, was seine Wirklichkeit ist.
Ich danke den Regisseuren und Schauspielern, den Ausstattern und Maskenbildnern, den Technikern, die alle miteinander dafür sorgen, dass eine sinnliche Welt entsteht, die versucht abzubilden, was Menschsein in dieser Zeit bedeutet.

Die wichtigste Person für mich als Theaterkolumnistin am Haus ist aber ein ägäischer Grafiker, mit dem ich die Kolumnen gemeinsam produziere. Damit Sie, liebe Leser, die Texte auf gemütliche Art lesen können, bedarf es sehr viel Kenntnis über Typografie und Layout von Texten im Internet. Dieses Thema ist ein sehr neues Fachgebiet. Alle Grundlagen über Buchkunst, Grafik und Layout sind, was das Internet betrifft, sehr neu. Sämtliche Gestalter sind von ihren Ausbildungen her für Printprodukte ausgebildet. Das, was wir als Standard für das Aussehen von digitalen Inhalten im Netz halten, ist eher zufällig entstanden. Um Texte leserfreundlich zu präsentieren, muss man ein Händchen dafür haben. Außerdem ein Bewusstsein für Leseerfahrung und die Gabe, sich optisch zurückzuhalten. Da, wo viel Text ist, bedarf es einer genauen Sensibilität, um den Abstand zwischen den Zeilen und Buchstaben so auszurichten, damit die Worte nicht wie Ameisen auf dem Bildschirm zerfließen. Beachten Sie beispielsweise den Unterschied der Hintergrundfarbe auf Ihrem Newsletter und dem auf der Webseite der Kolumne. Nichts davon ist Zufall.

Deniz Keskin heißt der Grafiker, der zu dieser Theaterkolumne gehört wie die Traube an die Rebe und der Docht in die Kerze. Ohne Deniz würde die Seite, die wir vierzehntägig für das Haus gestalten, nicht so klar, strukturiert und aufgeräumt aussehen. Zwar verspricht man uns im Haus immer wieder, dass wir eines Tages ein teures Template bekommen, aber wahrscheinlich legt man uns das Template als Grabbeigabe mit.

Ein Template ist die Maske, in die Deniz Text und Bild legt. Es ist eine Art Formular, das die Zeichen verwaltet. Wenn das Formular für einen künstlerischen Einfall nichts vorgesehen hat, muss man die Idee verwerfen. Da wir zwei bescheidene Gastarbeiterkinder sind, verlieren wir über das veraltete Template natürlich nie ein Wort, wie mein Text von „Das Template ist wie Gott“ im Spielzeitheft Frühjahr 2014 beweist.

Deniz: Ich danke Dir für Deine sehr spezielle Art. Als Berliner mit ägäisch-kommunistischem Hintergrund musst Du verstehen, dass für eine Diva mit adoleszent-kolumnistischer Herkunft Dein reduziertes Temperament immer wieder ein Schock ist. Ich danke Dir für Deine hohe Kunst der Reduktion in Fragen des Glamours, der Gestaltung und des Gemüts. Mit Dir zu arbeiten ist ein großes Glück.

Das Titelbild der Kolumne zeigt diese Woche also die Kolumnistin und den Grafiker, in dessen Namen ich nun spreche, wenn ich sage:

Wir danken Ihnen, liebe Leserinnen und Leser der Theaterkolumne.
Für Ihren Zuspruch, für Ihren Widerspruch, für Ihren Anspruch.
Ohne Sie ist alles nichts.
Wir wünschen Ihnen friedliche und heitere Tage und melden uns wieder am 21. Januar. Bis dahin,

Tschüß und bis bald!
Ihre Mely Kiyak und Ihr Deniz Keskin

PS:
Kolumne Nr. 45 – Serkan Altunigne Neulich hielt mich ein Leser auf der Straße an und sagte: „Ihr hattet doch einen türkischen Karikaturisten. Der könnte doch mal wieder was zeichnen.“ Ich rief also meinen ägäischen Grafiker Deniz an und sagte: „Das Volk dürstet nach Serkan Altuniğne. Lass ihn in Gottes Namen etwas zeichnen.“ Deniz nahm Kontakt zu Serkan auf und bat ihn um eine Karikatur. „Thema?“, fragte der türkische Karikaturist. Der ägäische Grafiker antwortete: „Ach. Mach doch irgendwas mit Flüchtlingen und Jesus“. Zwei Tage später erreichte uns die folgende Zeichnung. Danke, Serkan!

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