Ursprünglich wollte ich eine herzerwärmende Wichtelstory erzählen, aber zehntausend Wichtel auf den Straßen Deutschlands, die gegen Flüchtlinge und Islamisierung demonstrieren – da kommt keine Fiktion ran. Also blättere und klicke ich mich durch die Zeitungen, in der Hoffnung auf wirklich originelle Erkenntnisse. Immerhin ist bald Weihnachten, das christliche Mega-Ereignis, und damit stellt sich die Frage, wenn man gegen Islamisierung ist, wofür könnte man stattdessen sein?
Mehr als zweitausend Jahre am Stück feiern Christen auf der Welt Jesus’ Geburtstagsparty. Jedes Jahr aufs Neue denke ich mir: „Christenpeople, lehrt mir eure Werte, eure Nächstenliebe, denn ich komme nicht aus eurem Stall und bin wissbegierig“. Die Message der ganzen Angelegenheit ist, dass der Heiland geboren wird. Der Heiland, der Erretter, Sohn Gottes, Messias, Gesalbter, also an Pathos mangelt es der Bibel nicht. Und FAZ online, das Prädikatssiegel des Konservatismus, das Minarett des Abendlandes, taumelt und titelt angesichts der Freude: „Das muss unter den Weihnachtsbaum!“.
Zum Beispiel das Objektiv der Firma Lensbaby. Das besondere daran sei, dass „Tubus, Drehgelenk und die Mechanik fürs manuelle Scharfstellen aus Metall gefertigt“ seien. Und das Ganze gibt es für sagenhafte „190 Euro besonders günstig im Lensbaby Shop im Internet“. Happy Birthday, Jesus!
Derzeit sind 51 Millionen Menschen auf der Flucht. 33 Millionen von ihnen fliehen aus ihrem Wohnort, verlassen aber nicht das Land. Der Rest flieht über die Außengrenzen. Auf der Liste der größten Flüchtlingsländer der Welt sind: Afghanistan, Syrien, Somalia, Sudan, Kongo, Myanmar und Irak. Darunter sind viele Frauen, natürlich auch Schwangere.
Es sind, wenn man so will, viele hunderttausend schwangere Marias auf der Flucht, die einen sicheren Platz benötigen, um ihre Jesuse auf die Welt zu bringen. Jesus war ebenfalls ein Flüchtling. Ein Asylbewerber ohne rechtlichen Status.
Kann mir mal einer Weihnachten erklären? Dieses Riesenfest, das nur darauf hinaus will, nach Sonnenuntergang Waren auszupacken? Man kann doch nicht dauernd versuchen, herauszufinden, warum Menschen in die Radikalität abdriften, auf Sinnsuche sind, Identitätskrisen durchlaufen und den ganzen Kaufwahn ignorieren. Vielleicht bin ich zu sehr außerhalb dieser Weihnachtshysterie und sehe es jedes Jahr aufs Neue mit nicht enden wollendem Staunen. Dauernd von den abendländischen Werten faseln und den Adventsshoppingwahnsinn nicht sehen – verrückt! Müssten unter die Weihnachtsbäume nicht besser Windeln und warme Strampler, wenn man angemessen gedenken und schenken will? Glücklicherweise bin ich damit aufgewachsen, dass wohltätige Spenden die Feierlichkeit, den Pomp und Glamour von religiösen Feiertagen hochjazzen, nicht Geschenke.
Nun gibt es in meiner Familie seit wenigen Jahrzehnten auch Christen und Muslime und erschöpft vom jahrelangen Widerstand, nehme ich es in Kauf, dass der eine auf Adventskerzen besteht und jemand anderes die Holzbüste Karl Marx’ mit Lametta schmückt und aufhängt. Diese ganze Lebkuchenfresserei geht mir schon vom ersten Tag meiner Geburt an auf die Nerven, aber was willste machen? Toleranz und so.
Was mich wirklich schwer erschüttert, ist, dass neuerdings Teile des muslimischen Zweigs meiner Familie mich bereits Anfang Oktober mit der Botschaft nerven, dass sie beschlossen hätten, dieses Jahr Weihnachten zu feiern. Ich frage also nach: „Ihr geht in den Gottesdienst und bastelt eine Krippe“? Sie schauen dann ganz erschrocken, weil sie denken, orjinal Waynahtän sei Glühwein saufen auf dem Weihnachtsmarkt, jedem Rotbemantelten in den Sack fassen und Schokolade rausholen, zähe Ente von den Knochen fleddern und natürlich ganz viele Geschenke von Galeriya. Also riechen jetzt auch die Moslems (wie bereits die Christen) unterm Baum nach Jardin de dingsbumms von Hermès und tragen Hausmarke Kaschmirpullis von Strauss oder Lafayette und pfeifen selig jingle bells. Derweil geht man in Dresden und anderswo gegen Islamisierung auf die Straße. Ich geh’ bald gegen die Folklorisierung des Abendlandes auf die Straße.
Ein Hinweis in eigener Sache: Am Freitag, den 19. Dezember werde ich mit meinen Schwestern und Brüdern unserer sagenhaften Leserbrief-Revue „Hate Poetry“ nach Dresden fahren und in der „Scheune“ um 20.00 Uhr eine Show veranstalten.
HAPOGEPEGIDA
Hate Poetry gegen Patriotische Einwanderer gegen die Islamisierung des Abendlandes
Wer die ganze Bandbreite der abendländischen Werte und Sitten in ihrer epischen Ausführlichkeit erleben möchte, ist herzlich eingeladen, unserem Widerstand – TingelTangel beizuwohnen. PEGIDA redet vielleicht nicht mit „den Medien“. Aber mit uns Journalisten und Machern von „Hate Poetry“ stehen sie seit Jahren in regem Briefkontakt. Jeder Brief, den wir vorlesen, schildert die Ängste und Nöte der braven, schweigenden Demonstranten. Hate Poetry nimmt diese Sorgen ernst und trägt sie in angemessenem Rahmen vor.
Wenn wir Dresden überleben, lesen Sie im neuen Jahr wieder von mir.
Gott ist groß, das Jahr mit Ihnen war schön, ich liebe Sie alle.
Mely Kiyak
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